Chemnitz erkämpft elften Bundesligasieg in Serie
Furioses Finish
Manchmal braucht es einfach auch das Glück des Tüchtigen. Und jenes war Sachsens besten Korbjägern am Mittwochabend hold. Beim vor allem in eigener Halle bärenstarken Aufsteiger RASTA Vechta, der 29 seiner vorangegangenen 31 Heimspiele gewonnen hatte, wurden die NINERS bis an ihre Grenzen getrieben. Erschwerend kam hinzu, dass Chemnitz ohne seinen erkrankten Cheftrainer Rodrigo Pastore antrat und letztlich auch der angeschlagene Kapitän Jonas Richter noch nicht wieder in die Schlacht geworfen wurde. Alles andere als gute Voraussetzungen, um im stimmungsvollen wie ausverkauften RASTA Dome zu bestehen, was der Spannung aber keinerlei Abbruch tat. Ganz im Gegenteil – beide Teams lieferten sich ein unglaublich enges Duell mit insgesamt 14 Führungswechseln – den vorletzten 20 Sekunden vor Schluss als Vechtas Chip Flanigan zum 80:78 für die Hausherren traf. Das letzte Wort der Partie hatte aber „Mr. Cold as Ice“ Wes Van Beck, der mit nur noch sechs Sekunden Restspielzeit einen Dreierversuch aus über sieben Metern abdrückte und das orange Leder zum 81:80-Endstand durch den Ring jagte. Dieser sensationelle Treffer bescherte den NINERS nicht nur ihren elften Bundesligasieg in Serie, sondern lässt das Pastore-Team als völlig überraschenden Tabellenführer der easyCredit Basketball Bundesliga ins Weihnachtsfest gehen.
„Auch wir werden Spiele verlieren und in dieser ausgeglichenen Liga gibt es eine Vielzahl gefährlicher Gegner“, wiederholt NINERS-Coach Pastore seit Wochen fast schon mantraartig. Der Argentinier, seines Zeichens nunmehr schon seit achteinhalb Jahren als Chemnitzer Cheftrainer im Amt, weiß um die Stärke der Konkurrenz und konnte, mit Fieber das Bett hütend, ausgerechnet in Vechta nicht selbst dabei sein. Kapitän Jonas Richter schaffte zwar den Sprung auf die Bank, nach mehr als zwei Wochen Verletzungspause kam das Kopf-an-Kopf-Rennen gegen RASTA aber wohl einen Tick zu früh, um seinem Team aktiv zu helfen. Während die NINERS also abermals nur mit acht Spielern rotierten, konnte Vechta mit seiner elf Mann starken Bestbesetzung antreten, ging zudem ohne europäischen Wettbewerb etwas ausgeruhter ins Match und gab gegen Chemnitz von Beginn an Vollgas. Dank des aktuell vielleicht besten BBL-Spielers Tommy Kuhse und dem mit reichlich NBA-Erfahrung ausgestatteten Wes Iwundu drehten die Hausherren den guten 11:7-Start der NINERS blitzschnell in eine 15:11-Führung und hatten auch am Ende das ersten Viertels mit 23:20 knapp die Nase vorn. Im zweiten Abschnitt erhöhten Kuhse, Iwundu und Flanigan auf 32:25, während das 2.10-Meter große Ausnahmetalent Johann Grünloh den RASTA-Laden vor allem hinten zusammenhielt. Gjorgji Kochov, der Pastore an diesem Abend als Cheftrainer vertrat, reagierte mit einer Auszeit und beschwor dabei vor allem den Teamgeist seiner Spieler, die fortan besser zusammenspielten und auch dank zweier Distanztreffer von Wes Van Beck bis zur Halbzeitpause bereits auf 39:40 verkürzten.
Nach dem Seitenwechsel konnten die NINERS ihre Defensive auf das bekannt hohe Level heben und griffen nun endlich auch im Reboundduell entschlossener zu, so dass man schnell die Führung eroberte und nach Jeff Garretts Korbleger auf 56:50 davonzog. Nun war es Vechta-Coach Ty Harrelson, der sich zu einer Auszeit genötigt sah, dort aber offenbar genau die richtigen Worte fand. Sein Team robbte sich bis zur nächsten Pause wieder heran und kam nach zweieinhalb gespielten Minuten im Schlussabschnitt durch einen Dreier von Xeyrius Williams zum 66:66-Ausgleich. Postwendend besorgten Aher Uguak, Kaza Kajami-Keane und DeAndre Lansdowne mit ihren Treffern zum 73:66 aber die höchste Chemnitzer Führung des Abends. Ein entscheidender Impuls? Keineswegs! Vechta nahm die nächste Auszeit und schlug beeindruckend zurück. Sieben Punkte von Tommy Kuhse, deren fünf von Wes Iwundu und plötzlich hieß es eine Minute vor Schluss 78:75 für die lautstark gefeierten Gastgeber. Chemnitz stand mit dem Rücken zur Wand, aber die „Orange Army“ zeigte einmal mehr Charakter, Nervenstärke und unglaublichen Siegeswillen. Erst traf Kevin Yebo vom Perimeter zum Ausgleich und auch als sich Vechtas Flanigan auf der Gegenseite erfolgreich durchtankte und RASTA noch einmal in Front brachte, steckten die NINERS nicht auf. Sinnbildlich dann der letzte Angriff – Wes Van Beck versucht zu attackieren, rutscht auf dem Werbekleber im Vechtaer Freiwurfkreis aus und schafft es im Fallen gerade so, den Angriff mit einem Notpass zu Aher Uguak am Leben zu halten. Dann aber richtet sich der US-Boy blitzschnell auf, läuft gedankenschnell in Position, wird wieder von Uguak angespielt und drückt mit dem Selbstverständnis eines Spielers ab, der wettbewerbsübergreifend in dieser Saison ganze 72 seiner 135 Dreierversuche getroffen hat. Ergo eine 53,33-prozentige Chance auf den Gamewinner, „knapper Coinflip“ würden Pokerprofis sagen, „einer der besten Würfe, die wir bekommen können“, würde Rodrigo Pastore sagen, „dafür trainieren wir jeden Tag“, sagte schon Dominique Johnson nach seinem legendären Buzzerbeater gegen Bayern München. Und was sagt der Held des Abends? „Ein großartiger Auswärtssieg. Wir wussten, dass es richtig schwer wird. Vechta spielte stark, die Fans hier waren extrem laut. Respekt dafür. Am Ende glückten uns einige Schlüsselaktionen. Aher spielte den Extra-Pass auf mich, ich war frei und drückte ab“, freute sich Wes Van Beck über den siegbringenden Wurf, der dem gesamten NINERS-Team und seinen mittlerweile tausenden Fans da draußen das perfekte Weihnachtsgeschenk bescherte.
RASTA Vechta vs. NINERS Chemnitz 80:81 (23:20, 17:19, 17:22, 23:20), 3.140 Zuschauer
Lansdowne (22 Punkte), Yebo (17), Van Beck (14), Uguak (10), Garrett (8), Kajami-Keane (6), Krubally (4), Lockhart (0), Koppke (nicht eingesetzt), Richter (nicht eingesetzt)