NINERS als Tabellenführer gegen Bayern München
Wenn Träume wahr werden
Zeitreise in den Frühsommer 2015: Serge Ibaka begeistert gerade an der Seite von Kevin Durant und Russell Westbrook mit den Oklahoma City Thunder das NBA-Publikum. Pablo Laso gewinnt als Cheftrainer von Real Madrid den Euroleague-Titel. Vlado Lucic steht mit Valencia im Halbfinale um die spanische Meisterschaft. Die gleiche Runde erreicht Niels Giffey in Deutschland mit Berlin, wo man knapp gegen Bayern München das Nachsehen hat. Im Bundesligafinale setzt sich dann aber Elias Harris mit seinen Bambergern die Krone auf, während Niklas Wimberg mit Oldenburg den Pokalsieg feiern darf. Und was geht zur selben Zeit in Chemnitz? Nun ja, der Karl-Marx-Kopf blickt dauergrimmig von seinem Granitsockel, die TuS Altendorf wird Mannschaft des Jahres und die NINERS entrinnen nach einer katastrophalen Saison gerade um Haaresbreite dem Abstieg in die dritte Liga. Heute, nicht einmal neun Jahre später, stehen eben jene NINERS auf dem ersten Tabellenplatz der easyCredit Basketball Bundesliga und vor dem Spiel des Jahres gegen den direkten Verfolger und Titeltopfavoriten Bayern München – mit Serge Ibaka, mit Pablo Laso, Vlado Lucic, Elias Harris, mit den drei deutschen Weltmeistern Andreas Obst, Isaac Bonga und Niels Giffey, mit dem NBA-erprobten Carsen Edwards, dem französischen Nationalspieler Sylvain Francisco, dem argentinischen Auswahlakteur Leandro Bolmaro, den Ex-Chemnitzern Nelson Weidemann und Niklas Wimberg, mit dem deutschen Ausnahmetalent Ivan Kharchenkov, dessen großer Bruder Nikita auch einst für die NINERS spielte. Wer das vor neun Jahren geweissagt hätte, dürfte sich heute zweifellos in eine Reihe mit Nostradamus stellen. Doch es ist wirklich wahr. Chemnitz als Erster gegen München als Zweiter. Fast 5.000 Fans dürfen am Sonntag in der seit Wochen restlos ausverkauften Messe live dabei sein und träumen gemeinsam vom nächsten schier unglaublichen Sportwunder „made in Chemnitz“! Alle anderen Anhänger können beim Streaminganbieter DYN (www.dyn.sport) oder sogar kostenlos bei WELT TV oder auf SPORT BILDE.de mitfiebern.
Nur selten kommt es im Profisport vor, dass ein Tabellenführer im Duell gegen den Zweitplatzierten und trotz Heimvorteil glasklarer Außenseiter ist. Anders aber kann man es beim besten Willen und mit allergrößter Hoffnung vor dem Spitzenspiel zwischen Chemnitz und München nicht ausdrücken. Die „Experten“, welche den NINERS schon einige Errungenschaften mit Verweis auf Spielplan und schwächelnde Gegner absprachen, werden sich wohl nur bestätigt sehen und mindestens einen deutlichen Erfolg der Bayern prognostizieren. Ganz Unrecht haben sie damit allerdings nicht. Zu stark scheint das mit NBA- und Euroleague-Stars, mit Weltmeistern, Nationalspielern und Toptalenten gespickte, millionenschwere Starensemble der Bayern zu sein. Zu beeindruckend ist die Münchner Formkurve, hat der FCB doch wettbewerbsübergreifend seine letzten neun Duelle mit deutschen Kontrahenten gewonnen und wies dabei unter anderem Berlin (82:65), Ulm (95:80), Bonn (86:78), Ludwigsburg (92:84) oder Vechta (85:81) in die Schranken – also alles, was sich gerade um die Playoffränge und mittelfristig halt irgendwie um den Platz hinter Bayern München streitet. Vier Jahre ohne Meistertitel, ein Umstand, den die erfolgsverwöhnten Fans der Münchner Fußballer nur als schlechten Traum einordnen würden, ist für die gleichermaßen ambitionierten und der Konkurrenz finanziell ebenso überlegenen Basketballabteilung unlängst mehr als genug. Die Zeit der teils beinahe emotionslosen Hinnahme überraschender Niederlagen gegen Berlin oder Ulm scheint an der Isar vorüber. Dreifachbelastung mit Liga, Pokal und Euroleague hin oder her – die Meisterschaft soll diese Saison endlich wieder zurück nach München und dafür gingen die Bayern im letzten Transfersommer wortwörtlich in die Vollen.
Angefangen mit der Verpflichtung von Pablo Laso, der als Cheftrainer mit Real Madrid schon zweimal die Euroleague gewann, über Serge Ibaka mit seinen 1.071 NBA-Spielen inklusive Championship-Ring 2019 und Rückkehrer Devin Booker, der München schon 2018 und 2019 zu zwei Meisterschaften führte, bis hin zu Dino Radoncic, montenegrinischer Nationalspieler und 2018 Euroleague-Sieger, oder Leandro Bolmaro, der 2021 mit Barcelona spanischer Meister wurde und später wie auch Carsen Edwards in der NBA spielte. Angesichts solcher Lebensläufe erscheinen andere Neuzugänge wie Sylvain Francisco, letzten Sommer immerhin WM-Teilnehmer mit Frankreich, oder Danko Brankovic, kroatischer Nationalspieler und Meister 2022, fast als unbeschriebene Blätter. Weil parallel mit Andi Obst, Isaac Bonga und Niels Giffey auch noch drei Weltmeister sowie mit Nick Weiler-Babb und Elias Harris zwei frühere deutsche Auswahlspieler im Bayern-Kader stehen, ist es wenig verwunderlich, warum Nelson Weidemann und Niklas Wimberg beim FCB nur kleinere Rollen ausfüllen. In Chemnitz einst noch absolute Leistungsträger, sind die beiden Akteure nun bei München eher Ergänzungsspieler. Jedoch von einer Qualität, die Bayern eben auch auf den hinteren Kaderplätzen benötigt, um die eigenen Ziele in drei Wettbewerben mit insgesamt wohl über 80 Pflichtspielen in der nur knapp neun Monate andauernden Saison erreichen zu können. Da im Dezember auch „Aggressive Leader“ Vladimir Lucic nach langer Verletzungspause ins Team zurückkehrte, hat München mittlerweile wohl den besten Kader der Clubgeschichte beisammen und mit Lasso einen Taktgeber von Weltklasseniveau an der Seitenlinie stehen.
Somit scheinen die Rollen vor jeder Partie klar verteilt. München in der Pole Position, selbst beim aktuellen Tabellenführer der easyCredit Basketball Bundesliga, den NINERS Chemnitz. Doch genau die erwiesen sich in der Vergangenheit ja schon einige Male als echter Bayern-Schreck, konnten seit ihrem Aufstieg 2020 bereits vier von zehn Duellen gegen das Münchner Starensemble gewinnen. „Allerdings zu Zeiten, als uns Bayern vielleicht noch nicht ganz ernst nahm“, gibt NINERS-Geschäftsführer Steffen Herhold unumwunden zu. Mittlerweile sieht das anders aus – Chemnitz hat sich in der Bundesliga reichlich Respekt verschafft, weshalb Topteams wie München, Berlin oder Ulm gegen die „Orange Army“ stets ihre beste Mannschaft aufbieten und jene Duelle mit höchstem Fokus angehen – erst recht bei der aktuellen Tabellensituation. Was fast schon einem Ritterschlag gleichkommt, macht es für die NINERS am Sonntag nicht leichter. Allerdings stehen auch die Chancen gut, dass Chemnitz in Bestbesetzung antreten kann, befindet sich doch Pointguard Kaza Kajami-Keane auf einem guten Weg der Genesung. Nach wettbewerbsübergreifend 25 Siegen aus 28 Pflichtspielen strotzen die NINERS zudem vor Selbstvertrauen und an der richtigen Motivation mangelt es dieser, sich durch ihre unglaubliche Arbeitermentalität auszeichnenden Mannschaft, ohnehin nicht. „Wir werden wirklich alles auf dem Feld lassen“, versichert wer, ja wer eigentlich? Jeder! Jeder Spieler, jeder Trainer und Betreuer, dem man dieser Tage so in den Katakomben der Halle oder den Gängen der Geschäftsstelle begegnet. Und jeder NINERS-Fan, der am Sonntag in die Messe kommt, um nicht nur vom großen Basketballwunder zu träumen, sondern von der ersten bis zur letzten Sekunde alles dafür zu geben. „WELCOME BAYERN – WE ARE READY!“